Todesstreifen mit Alibipflanzen – Ein Plädoyer gegen Schotterwüsten

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Neulich hat es mir bei einem Ausflug ins schöne Mittelrheintal die Sprache verschlagen. Umgeben von sanft abfallenden Weinbergen, historischen Fachwerkhäusern und Burgen mit Blick auf den glitzernden Rhein, hatten die Besitzer eines Einfamilienhauses ihren großzügigen Vorgarten in eine Schotterwüste verwandelt. Nun bin ich, vor allem aus den neuen Reihenhaussiedlungen in der Großstadt, viel Fragwürdiges in Sachen Gartengestaltung gewöhnt. Doch hier, auf dem Land, wo die Menschen in meinen Augen noch mit der Natur im Einklang leben, erschütterte mich der Anblick zutiefst. Schottergärten beleidigen das Auge und die Natur – ein Plädoyer gegen die Todessstreifen mit Alibipflanzen.

Dass sich die Schotterwüsten, auf denen allenfalls ein einsamer Bonsai oder ein trauriges Grasbüschel geduldet wird, so inflationär ausbreiten konnten, beruht auf einem großen Irrtum: Sie gelten als pflegeleicht. Viele Hausbesitzer mit wenig Zeit und noch weniger Gärtnerwissen lassen sich gerne einreden, sie könnten das Vorgartenproblem mit einer großzügigen Ladung Steinen auf Unkrautvlies abhaken.

Weit gefehlt. Auf der Nordseite setzen die Steine schon nach wenigen Monaten Algen und Moose an. Das Problem ließe sich zwar mit dem Hochdruckreiniger lösen, doch pflegeleicht sieht anders aus. Spätestens im Herbst kommt das Laub von den Straßenbäumen hinzu. Selbst wer alles penibel absammelt oder mit dem Laubbläser wegpustet, ist das Problem nicht los. Denn mit der Zeit bildet sich auf dem Unkrautvlies eine Schicht aus Staub und Humus. Das bietet den angeflogenen Samen den perfekten Nährboden. Das Ergebnis: Schon bald sprießen hartnäckige Unkräuter und sogar Baumsämlinge munter zwischen den Steinen hervor. Sie lassen die Schotterwüste noch trostloser erscheinen, wenn sie nicht permanent ausgezupft werden.

Pseudomodernes Umweltdesaster

Abgesehen davon, dass die Schotterwüsten weder modern und zeitgemäß, sondern trist und kalt aussehen, sind sie für die Umwelt ein Desaster. Die Todesstreifen aus Kies oder Splitt heizen sich im Sommer extrem auf. Weder können sie Wasser speichern noch verdunsten. Sie produzieren keinen Sauerstoff, bieten weder Nahrung noch Unterschlupf für Insekten und andere Tiere. Sie binden keinen Feinstaub und unterdrücken unter dem Vlies das Bodenleben.

Optisch und für die Umwelt nicht viel besser sind Gabionen. Egal, was der Baumarkt oder der Gartenbaubetrieb verspricht: Die mit Steinen gefüllten Drahtkörbe wachsen weder schön in die Landschaft hinein noch werden Gräser und Wildblumen am Stahlgitter hochranken und aus dem Vertikalschotter eine Naturoase machen. Gabionen mögen zwar ein Bollwerk gegen feindliche Horden bieten, das auch dem Angriff mit tonnenschweren Geländewagen standhält. Optisch sind sie ein Frontalangriff auf den guten Geschmack.

Die richtigen Pflanzen am richtigen Platz: In Beth Chatto‘s Garten blüht alles üppig ohne Bewässerung.

Es geht auch anders

Dabei lässt sich selbst der schwierigste Standort in einen attraktiven Garten verwandeln. Wie das geht, zeigte zuerst die Engländerin Beth Chatto, der es gelang, einen öden Parkplatz in der Grafschaft Essex zu begrünen. Sie wählte nur Pflanzen aus, die in dieser besonders trockenen Lage überleben würden. „Right plant, right place“ nannte sie das. Seitdem ist die Anlage angeblich nie künstlich bewässert worden (http://www.bethchatto.co.uk/gardens/gallery/gravel-garden.htm). Allerdings hat Beth Chatto auch keinen Hehl daraus gemacht, dass sie ihre Rabatten und Kieswege im Zweifel mit Herbiziden behandelt, damit dort nur das wächst, was sie für richtig hält.

Wie Du einen wirklich pflegeleichten Garten anlegst, verrate ich Dir in meinem Beitrag ‚Lazy Gardening‘. Wenn Du wenig Arbeit und lange Freude an Deinen Blumen haben willst, schau unbedingt auch in den Beitrag zu meinen Lieblings-Dauerblühern.

Dieser Beitrag hat 4 Kommentare

  1. Christine

    In Zeiten, wo sauberes Trinkwasser zu einer Kostbarkeit wird, durch diverse Spritzmittel die Insekten, Lebensgrundlage für die Vogelbrut, bis zu 80% redutiert werden, sind Schottergärten ein absolutes NO G
    Welches heimische Lebewesen kann in diesen Steinwüsten überleben? Wo brüten Singvögel? Wo können Erdhummeln, Marienkäfer, Tiegerschnegel die kalten Wintertage überleben? Einem Modetrend folgend, werden aus blühenden, duftenden Blumenbeeten einheitsgraue Kieselflächen. Ob das der Seele gut tut, wenn immer mehr Singvögel verschwinden, eckige, kantige Formen die lieblichen Rundungen von Blütenbeeten ablösen und weiß, grau und antrazit vor den Haustüren Trostlosigkeit, Hoffnungslosigkeit und Denaturierung vermitteln?

  2. Birgit Pratter

    Hallo ihr Lieben Hobby Gärtner!
    Ja das kenne ich auch ich nenne es „Steinwüste“. Wenn ich an so einer Steinwüste vorbeispaziere, dann überkommt mich das Gefühl, dass die Leute eigentlich gar keinen Garten wollen. Sie sehen den Garten nur als Arbeit. Wenn die Leute meinen Garten sehen ist das Erste was sie mir sagen, du hast aber viel Arbeit. Stimmt, ich habe aber auch genau soviel Freude damit.
    Birgit Pratter aus A- Dornbirn

  3. Jürgen Lennartz

    Ja, das hat man gemacht um die Gartenpflege zu reduzieren an Artenvielfalt hat man nicht gedacht. Später kam dann die Erkenntnis das es nicht richtig ist. In vielen Neubaugebieten macht erst Galeone Vorgärten mehr. Statt dessen Stellplätze für die Autos. Ob das besser ist bezweifle ich.

    1. Geniessergarten

      Hallo Jürgen,
      das Ziel, einen pflegeleichten Garten zu haben, wird dadurch auch nicht erreicht: Nach spätestens einem Jahr sprießt Unkraut aus allen Steinritzen, Moos wächst über die Steine im Schatten und herabfallendes Laub lässt sich nur schwer entfernen. Alles in allem keine gute Idee so ein Schottergarten.
      Viele Grüße,
      Katharina

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